Belarus MTS 52 im Vergleich zu Westmodellen...kaufen?

  • Moin moin und Hallo!
    Ich bin neu im Forum. Mitgelesen und weitergebildet habe ich (mich) schon mehrfach. Jetzt möchte ich aber auch mal eine Frage stellen.

    Ich plane den Kauf eines Schleppers ab ca. 50 PS. Er soll nur für private Zwecke dienen. Da er zu großem Anteil für Frontladertätigkeiten benötigt wird, soll es ein Allradler mit Lenkhilfe sein.
    Neben den üblichen Verdächtigen laufen mir auch immer wieder die Belarus Oldtimer MTS 52 / 82 über den Weg, mit teils sehr verlockenden Preisen. :lol:

    Ich + Bekanntenkreis habe(n) keinerlei Ahnung oder Erfahrung mit diesen Schleppern. Ich habe schon mehrfach gelesen, dass die Portalachse vorne eine Schwachstelle wäre. Kann das jemand bestätigen, also im Vergleich zu den Westschleppern mit vorwiegend ZF Allradachsen?
    Wo liegen denn die Probleme?

    Gibt es sonst Wichtiges über diese Traktoren zu wissen, bevor man sich mal einen anschaut?
    Von mangelndem Komfort las ich schon. Bei meinen Ansprüchen aber kein Kriterium.

    Ich bin über Antworten und Hilfestellungen sehr dankbar.
    Schöne Grüße
    derBasti

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Basti,

    bis letztes Jahr habe ich selbst einen MTS 50 (ohne Allrad) besessen. Nur zum rumspielen, als werksseitig gut ausgestatteten Oldtimer. Auch mal für "dreckige" Sachen oder zum Tieflader ziehen. Es gibt halt keinen anderen "Oldtimer", der für den Preis soviel Ausstattung mitbringt.

    Wie du vielleicht schon bemerkt hast, werden Belarus häufig und zu niedrigen Preisen angeboten. Egal, ob mit oder ohne Allrad. Das liegt einerseits am großen Angebot, andererseits am fehlenden Markenimage in den westlichen Bundesländern. Qualitativ kann ich nichts gegen die MTS50/52 sagen, ich wage sogar zu behaupten, dass diese einen ähnlichen Qualitätsstandard wie westeuropäische Schlepper des gleichen Baujahre haben. Ein wesentliches Konstruktionsmerkmal der MTS50/52 war die simple und robuste Konstruktion, sodass auch ungelerntes Personal ohne große Kenntnisse den Schlepper mitten in Sibirien reparieren konnte.

    Fakt ist: ALLE angebotenen Belarus haben in ihrem Leben reichlich und hart gearbeitet. 10.000 Betriebsstunden sind da ein Witz. Viele Belarus haben in den 1980er Jahren generalüberholte Motoren eingebaut bekommen, das war gängige Praxis. Das spricht durchaus für die Belarus. Sie genießen gerade im Osten unserer Republik bis heute einen guten Ruf, nicht nur aber hauptsächlich wegen ihrer sprichwörtlichen Robustheit. Die Getriebe sind wohl unkaputtbar, so wurde mir damals mehrfach bestätigt.

    Die Ersatzteilversorgung ist mit Ausnahme von Blechteilen für die kleine Kabine phänomenal gut, zudem sind die Ersatzteilpreise lächerlich billig. Gib mal bei ebay "MTS50" ein, und du wirst sehen, was ich meine. Gebrauchte Teile gibt es ebenfalls noch reichlich und zu moderaten Preisen.

    Technisch sind die MTS50/52 hochinteressant, allein schon wegen ihrer Getriebebauart und dem traumhaften 60PS starken und 4,75 Liter großen D50-Wirbelkammer-Dieselmotor. Der Motor hat eine tolle Laufkultur mit großem Drehmoment, einen sehr angenehmen Klang und ist zudem noch sehr reparaturfreundlich.

    Negative Punkte gibt's natürlich auch: Die Ergonomie ist grauenhaft. Wer häufig auf- und absteigen muss, wird die MT50/52 verfluchen. Das schalten will gelernt sein. Der Schlepper hat einen vergleichsweise hohen Schwerpunkt. Und ja, Gehörschutz sollte griffbereit sein.

    Da meiner keinen Allradantrieb hatte, kann ich Dir darüber wenig bis gar nichts mitteilen. Ich habe aber häufiger mal gelesen, dass bei längeren Fahrten der Lagerbock am Getriebe, der die Antriebswelle umlenkt, heiss wurde.

    Gruß, Hendrik

  • Hallo Hendrik, vielen Dank für die ausführlichen Infos!
    :wink:
    "Übung beim Schalten" bedeutet komplett unsynchronisiertes Getriebe? Also Drehzahl hoch beim Runterschalten und umgekehrt. Oder haben die Belarus eine andere Lösung?
    Da wäre z.B. ein IHC 644 natürlich im Vorteil... :?

    Was an dem Getriebe ist denn aus technischer Sicht interessant?

    Gibt es sonst noch Erfahrungen mit dem alten Belarus Schleppen? Insbesondere der Allradachse?

    Gibt es Schwachstellen, die man sich beim Kauf ansehen muss?

    Danke und Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Basti,

    richtig, ein Belarus MTS50/52 hat ein komplett unsynchronisiertes Getriebe, wie es sich für einen Oldtimerschlepper gehört. :wink:
    Bei der Konstruktion der Belarus wurde auf maximale Robustheit und Reparaturfreundlichkeit Wert gelegt, da kann auf ein synchronisiertes Getriebe gern verzichtet werden.

    Was das Getriebe interessant macht? Vor allem zwei Dinge:

    1.: das Schaltschema, bitte schön:
    [Blockierte Grafik: http://dampol.eu/1049-thickbox_default/schaltschema-schaltung-mts-50-52-80-82-belarus-tief-geatz-kein-aufkleber-.jpg]
    Du siehst, dass die Gänge beim Hochschalten in der langsamen Gruppe von rechts nach links geschaltet werden, in der schnellen Gruppe von links nach rechts. Du siehst auch, dass es keinen 10. Gang gibt und die Gangstufen nicht in logischer Reihenfolge auf die Gruppen verteilt sind: Langsame Gruppe (I): Gänge 1,3,4,5,R1, Schnelle Gruppe (II): Gänge 2,6,7,8,9, R2.
    Das ist aber kein wirkliches Problem, nur ein wenig gewöhnungsbedürftig.
    Weiterhin siehst du, dass die Gruppen und die Gänge mit ein und demselben Schalthebel geschaltet werden. Ich finde das absolut genial und sehr praxisgerecht. Mal abgesehen von den typischen Doppel-H-Schaltungen ist mir dieses Prinzip bei alten Schleppern sonst noch nirgendwo begegnet.

    2.: die Zapfwelle.
    Diese ist als Wege- und Getriebezapfwelle ausgelegt und wird mit einem langen Hebel rechts vom Fahrersitz aus bedient. Kupplungsunabhängig! Hierzu sitzen im Getriebe zwei Planetenradsätze mit Bremsbändern, die jeweils vom Zapfwellenhebel angezogen bzw. gelöst werden. Technisch in meinen Augen hochinteressant und zudem noch sehr wartungsfreundlich.

    Für Belarus gilt das gleiche wie für alle anderen alten Schlepper auch, egal ob hochpreisige Fendt, Eicher, Schlüter oder Cormicks: es sind alte Werkzeuge, die nicht zum anschauen gekauft wurden. Sie haben in den letzten 45 Jahren hart arbeiten müssen und wurden zuletzt in der Regel nur noch stiefmütterlich behandelt.

    Schwachstellen hat jeder Schleppertyp, beim Belarus ist das meiner Meinung lediglich die kleine Kabine, die vor allem an der Rückseite, direkt am Schiebefenster, fast immer weggerostet ist.
    Wenn du dir einen Belarus anschaust, der bereits einen Frontlader montiert hat, dann prüfe den Zustand der Kupplung und die Funktionstüchtigkeit der Lenkhilfe sowie Lenkspiel.

    Gruß, Hendrik

  • Ich danke dir Hendrik!
    Das Schaltschema bzw. die Ganganordnung sieht ja echt wild aus. Aber meist nutzt man ja eh nur 2 oder 3 Gänge plus ggf. Gruppe.
    Die Zusammenführung von Gängen und Gruppen in einem Hebel kann ich mir wirklich charmant vorstellen.

    Weißt du ob es Reparaturhandbücher für die Fahrzeuge gibt?

    Schöne Grüße

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