Allradtraktoren erfreuen sich bekannter Weise in Sammlerkreisen größter Beliebtheit. Auch und obwohl man Vierradantrieb auf Traktortreffen und Fahrten dorthin wohl kaum bis gar nicht brauchen kann. Doch, auch wenn alle Allrad haben möchten, die Rechnung für eine defekte Vorderachse mag man lieber nicht sehen. Denn: Erst spätestens dann wird klar, dass eine angetriebene Vorderachse noch weitaus mehr Teile als nur ein Differential enthält.
Ich hab nun meine eigene ZF APL 1551 auf dem OP-Tisch liegen, welche aus verschiedenen Gründen geöffnet werden musste. Einfache Arbeiten können an dieser Achse durchaus mit etwas Schraub-Verständnis durchgeführt werden. Jedoch rate ich dringend davon ab, diesen Thread als Werkstatthandbuch zu missbrauchen. Insbesondere beim Thema Locomatic und Kegel/Tellerrad, sowie Schwenklager ist Fachwissen gefragt.
Angefangen hatte der ganze Salat bereits beim Ablassen des Öls - nach circa drei Litern Wasser tropfte eine nicht näher zu definierende Pampe aus der Ölablassöffnung. Kein gutes Omen. Ursache für das viele Wasser war eine fehlende, bzw. defekte Entlüftungskappe auf der Achse selbst. So hatte alles einige Jahre im Freien verbracht, Regen, Schnee und Co taten ihr Übriges. Wasser kann, insofern die Achse komplett voll steht, auch gefährlich werden (Frostriss), zum Glück reichen die abgelassenen drei Liter dazu nicht aus.
Theoretisch können Allradachsen dieser Bauform zur Überholung im Schlepper eingebaut bleiben. Ich entschied mich jedoch dazu, alles zu zerlegen, da so sauber entrostet werden kann.
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Ausbau:
Normalerweise ist das relativ einfach: Traktor aufbocken, Räder demontieren, Hydraulikschläuche Lenkzylinder demontieren, Mittelachsbolzen ziehen, Achse entnehmen. Soweit die Theorie. Ein Blick auf den Mittelachsbolzen verhieß nichts Gutes. Stahlbuchsen (warum auch immer, normal sind es Messingbuchsen), zusammen mit einem Stahlbolzen, keine erkennbare Luft, dazu kein Fettkranz zu sehen. An Ziehen des Achsbolzens war so schon mal nicht zu denken. Kurzerhand musste der ganze Vorderachsbock dran glauben, welcher beim Eicher (das hab ich bisher nicht gesagt, aber wer mich kennt wird sich nicht wundern) schnell abgeschraubt ist. Vorschlaghammer und ein dicker Metalldorn sollten mein Bolzen-Problem schon lösen. Denkste.
Zum Glück kann man bei der von Eicher konstruierten Aufhängung die Achse vom Mittelachsbolzen trennen, dazu sind lediglich sechs M18er Schrauben zu lösen. Damit wanderte die Achse erst mal auf Seite, Zeit für den Achsbock.
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Eine paar Tage Rostlöser brachten beim Thema Mittelachsbolzen keine Besserung. Trotz 10-Kilo-Vorschlaghammer und damit eingesetzter roher Gewalt bewegte sich der Gute keinen Millimeter. Von der Konstruktion her ist es so, dass der Bolzen auf beiden Seiten der Achse, sprich vorne und hinten, in einer Bundbuchse gelagert ist. Beide Bünde zeigen nach Innen, dort ist eine Schwinge eingepasst, durch die der Achsbolzen durchgesteckt ist. Dank M18er Klemmschrauben wird die Schwinge mit dem Bolzen verspannt, sodass Pendelbewegungen der Achse auf den Bolzen übertragen werden.
Nun stellt man sich zwangsläufig die Frage, wie der Bolzen wohl drehen konnte. Beim Blick auf die Schwinge war klar, was hier passiert war, sie drehte unter großer Kraftanstrengung auf dem Bolzen.
Da hier selbst mit roher Gewalt (10 kg Hammer und Brenner) nicht weiterzukommen war, blieben wenig Möglichkeiten. Ich entschied mich dazu, das mittlere Teilstück des Bolzens herauszutrennen. Also, große Flex und einen Schnitt genau durch den Bund der Buchse schneiden. Es blieb etwa 1/5 des Bolzens stehen, dieser Rest durfte dann per Eisensäge durchtrennt werden. Irgendwann purzelte mir nun die Schwinge entgegen - Hintergedanke: Es halten nicht mehr beide Buchsen beim Schlagen zu, folglich halbiert sich der Logik nach die zum Austreiben benötigte Kraft.
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Die ausgebaute Schwinge:
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Und wieder mal: Denkste.
Nun griff ich zum äußersten Mittel und bohrte genau zwischen Buchse und Bolzen einige Löcher, um die Verbindung möglichst zu schwächen und so das Austreiben zu erleichtern. Nach jedem weiteren Loch erfolgten Schläge per Vorschlaghammer - stets erfolglos. Die Löcher bohrte ich vorerst nur auf einer Seite des Bolzens in der Hoffnung, dass ich so eventuell vorhandene Spannung nehmen würde. Ich durfte jedoch rundherum bohren... Dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, wurde nun mehr und mehr klar.
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Ich hab dann schließlich noch einige Löcher größer gebohrt, immer wieder Rostlöser und rohe Gewalt angewendet und ja, zwischendurch auch das ein oder andere Mal den Glanz-Mechaniker, der hier Stahlbuchsen eingebaut hatte, aufs schärfste verurteilt. Die Kombination von allem war wohl erfolgreich, die erste Seite war nach zwei Tagen Murks, Schweiß und Ärger endlich raus.
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Reste von Bolzen und Buchse zeigen deutliche Fessspuren, kein Wunder, dass gar nichts mehr ging.
Nun stand Seite 2 auf der Agenda, hier zuckte der Bolzen-Rest jedoch nach einigen Vorschlaghammer-Streicheleinheiten zusammen und verlies freiwillig den angestammten Platz. 2 Tage für eine Seite, 2 Minuten für die andere. Tja, so ist das.
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Damit war der Ärger - noch bevor es an die eigentliche Achse ging - schon groß genug.