Guten Abend,
wirklich eine sehr interessante Diskussion! Ich komme vom Hof, bin auf dem Land aufgewachsen und bewirtschafte meinen Hof nun selber. Noch nie, zu keinem Zeitpunkt, never hatte ich das Gefühl, daß sich irgendjemand aus dem Kreis der in der Landwirtschaft körperlich tätigen Personen auch nur die geringsten Gedanken darüber gemacht hat, was er zur Arbeit trägt. Meine Mutter hat nur immer gesagt, man solle zusehen, daß man morgens nicht mit zerrissenen Klamotten aus dem Haus geht. Das war aber auch schon alles. Und vor zu weiter Kleidung hat natürlich die Berufsgenossenschaft gewarnt! Wissen wir alle. Das waren eigentlich die Eckpfeiler in meiner 70er Jahre Kindheit: intakt und enganliegend.
Man muß selbstverständlich beachten, wer da gerade auf dem Trecker sitzt. In meiner Heimat waren die Betriebe auch früher schon immer so groß, daß sie mindestens einen, eher mehrere "Gespannführer" beschäftigten, aus denen später die Treckerfahrer wurden. Auf der anderen Seite der Tarifpartnerschaft hat die Generation meines Großvaters nicht selbst gearbeitet. Man trug den ganzen Tag einen Anzug, vertrieb sich die Zeit in Vorständen und Aufsichtsräten der Zuckerfabrik oder der Molkerei, war im Landvolk engagiert, besuchte die Ausstellungen der Milchvieh- und Schafzuchtverbände, vielleicht mal eine Maschinenausstellung, spielte Karten um recht hohe Summen, ging zur Jagd. Und zählte ansonsten das Geld. Das war die Truppe, die den Kaiser noch miterlebt hat. Die Landarbeiter auf den alten Bildern sehen aus wie die auf den oben gezeigten Fotos.
Dann kamen die ersten Maschinen. Die Hanomag-Raupe kurz nach 1920, die großen Bulldogs zehn Jahre später. Ich denke nicht, daß sich deswegen nun jemand verkleidet hätte. Auf den zeitgenössischen Aufnahmen sehen die Landarbeiter recht schick aus. Mit Uhrkette und allem Klimbim. Hatten die wirklich eine Uhrkette dabei während der Arbeit? Oder wurde die wegen des Fotografentermins angelegt? Wir wissen es nicht.
Die Generation meines Vaters war hier in der Gegend die erste, die wirklich gearbeitet hat. Also produktiv, draußen, auf dem Acker. Und da kommen jetzt die Unterschiede: der Landarbeiter der 60er und 70er Jahre trug, und da kenne ich fast keine Ausnahme, eine Art zweiteilige Arbeitskluft, also Jacke und Hose aus verblichenem, oft geflicktem stabilem Stoff. Und zumeist einen ulkigen Cordhut! Ganz kecke zogen sich auch obenrum aus, etwa auf dem Drescher. Die (mitarbeitenden) Betriebsleiter hingegen trugen, wenn sie eher noch der älteren Generation zugehörten (nicht der ganz alten, die ich oben beschrieben habe!), meistens eine Kniebundhose, ein gepflegtes Hemd und einen Schlips. Die Generation meines Vaters hatte dann schon Jeans und Oberhemd (und ab der Weizenernte BW-Parka) an. Und obenrum ein Exemplar aus der obligatorischen Sammlung von "Tausendmorgenmützen". Ich weiß nicht, wie die korrekt heißen. Jeder Südostniedersachse weiß aber, was ich meine. Sie waren hier ebenso üblich wie anderenorts im Norden diese vermutlich aus dem Krieg mitgebrachten Gebirgsjägermützen. Günter der Treckerfahrer trägt eine solche Gebirgsjägermütze. Ihr wisst schon, wovon ich rede. Zumindest die ffn-Hörer unter Euch. Aber sowohl Tausendmorgen- als auch Gebirgsjägermützen waren den Bauern vorbehalten. Die Landarbeiter bzw. Treckerfahrer trugen jene besagten Cordhüte, die man vom Hausmeister Krause kennt. Da gab es eine klar abgegrente Klassengesellschaft! Die legitimen Nachfolger der Cordhüte sind diese Basecaps, die man häufig auf den Köpfen jüngerer Menschen sieht, auch wenn die Farm, auf der sie beschäftigt sind nicht in Kansas oder Oklahoma liegt.
Nun wage ich mal die Behauptung, der Großteil der aktuell im Umlauf befindlichen und als solche genutzten Oldtimertrecker, stammt aus dem Zeitraum von 1955 bis 1970. Eine der oben erwähnten britischen Ballonmütze aus Tweedstoff würde ich aber eher in den 20ern verorten. Die wäre also komplett fehl am Platze. Es sei denn, man hat das Glück, tatsächlich einen so alten Trecker zu besitzen. Engelbert Strauss-Klamotten wären natürlich auch ein no-go. Tracht trägt hier seit gefühlten 200 Jahren niemand mehr. Auf meinen Schleppern, die alle um 1960 das Licht der Welt erblickten und somit vielleicht bis 1970 oder 1975 ernsthaft eingesetzt wurden müsste ich also korrekterweise diesen ausgeblichenen blauen Arbeitsanzug tragen, den obersten Knopf schön geschlossen. Und einen lustigen Cordhut. Irgendetwas in mir sträubt sich aber, mich derart zu verkleiden. Jeans und Hemd (niemals T-Shirt, denn das ist genaugenommen Unterwäsche und hat zudem keine Brusttasche für die Zigarettenpackung!) trage ich ohnehin bei der Arbeit (und bei Kälte einen Parka). Also kann ich auch genauso mit meinen Oldies an die Öffentlichkeit treten. Zumal die Öffentlichkeit in meinem Fall aus den wenigen Besuchern kleinerer, privater Treffenbesteht, auf denen hauptsächlich gepflügt wird. Oder Kartoffeln gerodet. Was halt so anliegt. Auf Herumstehtreffen habe ich keine Lust. Und ein Besuch der Highlights, also Nordhorn oder Hänigsen ist für mich arbeitstechnisch leider nicht einzurichten.
Eine Spezialität beobachte ich hier in Niedersachsen bereits seit über 30 Jahren. Seit ich mich mit Treckern auf entsprechenden Veranstaltungen herumtreibe also. Es gibt eine Fraktion, die irgendwie für sich zu bleiben scheint. Die Dinos der Szene. Die ersten, die mit großem Glühkopf auftauchten. Ausnahmsweise mit Hanomag R40 oder Wasserdeutz. Der Uradel der Szene sozusagen. Die tragen hier in Niedersachsen seit jeher schwarze Kleidung und eine Art von Ledermütze, die so gar keinen Bezug zu landwirtschaftlichem Gerät zu haben scheint. Die älteren unter Euch kennen noch diese Band aus den 70ern. "Village People" hieß die. Und einer von denen hatte auch immer genauso eine Mütze auf. Googelt mal "Village People" und versucht mir dann zu erklären, wieso man sich als Teilnehmer eines Oldtimertreckertreffens so verkleiden muß, als hätte man stattdessen eigentlich auf eine CSD-Parade gehen wollen. Aber das nur so nebenbei...
Ich finde, jeder soll das anziehen, worin er sich wohlfühlt. Und, wie bereits jemand schrieb: meistens bleibt die Kleidung nicht sauber, also darf es auch Arbeitskleidung sein. Nur vielleicht nicht die von Engelbert Strauss, von der man hier in der Gegend sagt, daß sie ohnehin nur von den Inhabern sehr, sehr großer Ackerbaubetriebe etwa beim Abholen der Pflanzenschutzmittel getragen wird damit andere denken, man würde tatsächlich auch arbeiten. Wer wirklich arbeiten muß, trägt hier alles, aber nicht Engelbert Strauss...
Munter bleiben!